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Faust up to date – die „Stillen Hunde“ spielen Goethes „Faust“ vor dem 11. Jahrgang in der Aula des Hainberg-Gymnasiums

| Deutsch

Goethes berühmtestes, weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekanntes Werk gehört zum deutsch Bildungsgut schlechthin. Als Pflichtmodul im Jahrgang 11 des Schuljahres 2013/14 hatte das Kultusministerium vorsichtshalber und sicher der Komplexität des Stoffes geschuldet, die Auseinandersetzung mit der Problematik des „Faust“ gleich für das gesamte erste Halbjahr vorgesehen. Aber die Problematik ist für heutige Schüler:innen nicht ganz leicht nachzuvollziehen.

Dieser Faust ist unzufrieden mit seinem Leben: sein überaus großes Wissen hilft ihm nicht, den Lebenssinn zu finden. Weder im Gottesglauben noch in der Vergnügungssucht, die der Pakt mit Mephisto, dem Teufel, ihm verheißt, sondern letztlich in der Liebe zu der frommen Margarete findet Faust Erfüllung. Aber auch hier ist das Scheitern Programm: Margarete, unehelich schwanger von Faust, muss auf dem Schafott ihre Strafe für die Ermordung des Kindes erleiden. Faust findet erst auf dem Sterbebett seine Hoffnung in Gott wieder, nähert sich damit vorsichtig dem traditionellen Glaubens-Weg christlicher Denkungsart und so ist seine Geschichte des Scheiterns an der eigenen Hybris am Ende ins Positive gehoben. Mephisto, der Böse, verliert gegen Gottvater seine Wette, einen Menschen endgültig ins Verderben führen zu können. Alles ist also bei Goethe am Ende gut!

Nachdem die Deutschlehrer:innen des 11. Jahrgangs, ob selber nun Faust-Fans oder nicht, das Halbjahr 11.1. mit eher mühevoller Erarbeitung dieser Inhalte und Abitur-relevanten Aspekte des Stückes verbracht haben, kommen am 24.4.14 die „Stillen Hunde“ ins HG. Und die präsentieren die alte Geschichte neu unter dem Motto "Boy meets girl“. Wir wissen nicht erst seit Hollywood - das zieht. Und so kommt das Spiel der Minitheatertruppe auch beim Schüler:innen-Publikum des Jahrgangs 11 in der Aula des HG gut an.

Christoph Huber (Mephisto, Pudel), Stefan Dehler (Gottvater, Nachbarin, Faust) und Maja Müller-Bula (Hexe, Grete) zeigen die Faust – Story interessant-eindrücklich, mit spannenden Regie- und Inszenierungs-Ideen und zuweilen derb-burlesken Einlagen. Den Zuschauern macht das Spaß.

Auf der Bühne fällt zunächst das klar strukturierte Bühnenbild auf: in der Mitte bildet ein großer metallener Rahmen mit drei weißen, leicht flatternden Vorhangelementen das Zentrum aller Geschehnisse . Eine Beleuchtung jeweils rechts und links des Rahmens, zwei dreiteilige Neonröhren – Ständer, wechselweise als Tür, Spiegel oder Altar funktionalisiert, begrenzen die Bühne zu den Seiten. Diese sparsame Requisite wird durch einen langen Tisch, der auch als Podest dient, ergänzt. Das reicht den Schauspieler:innen zur szenischen Strukturierung  und veranschaulicht auf dem im übrigen schwarzen Bühnenhintergrund fast Stillleben - haft das Spiel um Gut und Böse, wobei auch die klare farbliche Akzentsetzung in schwarz, weiß und rot hilft. Mal stehen die Akteure vor den Vorhängen, der schwarz - rot gekleidete Mephisto zum Beispiel, wenn er mit dem grau gewandeten Faust den Pakt schließt. Mal wird das Weiß zur Seite gezogen und offenbart Innerstes-Geheimnisvolles der Figur, zum Beispiel, als die dezent grau-creme gekleidete Grete in ihrer "Kammer" vom Schmuck-Geschenk Fausts überwältigt, in Liebe für diesen entbrennt. Oder sie geben den Blick frei auf die sich wolllüstig auf dem Tisch räkelnde und dabei nicht nur optisch "den Rahmen sprengende" "Kokain"-Hexe im roten Morgenrock. Bei ihr holt Mephisto den Zaubertrank für Faust. Dann wieder werden Ortswechsel durch Umrunden des Vorhang-Ensembles deutlich gemacht. Oder – fast wie im Kasperle-Theater über dem Rahmen hängend - treffen sich oben Figuren, himmlische Instanzen, überidische Mächte oder familiäre Ratgeber wie die burschikose Nachbarin Gretes, Marte, (herrlich: Stefan Dehler), im Flirt mit Mephisto unten oder beratschlagend und über das reflektierend, was "da unten“ geschieht.

Die drei Akteure sind mit ihrem Körpereinsatz und ihrer Spielfreude sehr präsent. Im ersten Teil erscheint Faust in seiner Suche nach dem, was die „Welt im Innersten zusammen hält“, fast wie ein Büroangestellter : monoton spricht Faust/Dehler, zugeknöpft im Maus-grauen Anzug und mit Brille, das Haar brav gescheitelt, steht er dem Verführer im schwarzen Anzug und roten Hemd, Mephisto /Huber, der sich als kläffender Pudel schwanzwedelnd (toller Einfall, Christoph Huber mit dem Rücken zum Publikum, die rechte Hand wedelnd am unteren Rücken und kläffend wie ein echter Hund!) in Fausts langweiliges Leben einschleicht, gegenüber, den Kopf gesenkt, selbst vom „Erdgeist“ (Topfpflanze mit Scheinwerfer) zurückgewiesen.

Die Kokain-beduselte Hexe bringt nach dem Pakt zwischen Faust und Mephisto Leben in die Langeweile: der Trank verjüngt Faust. Hinweg mit Krawatte und Jacket, die Haare jugendlich gekämmt, begegnet er der frommen Margarete –– und verliebt sich sofort. Mephisto missfällt das – warum gerade dieses brave, fromme Mädchen, durch das nur Probleme entstehen, mit deren Mutter sowieso?

Hier gewinnt das Spiel der drei an Tempo und Eindrücklichkeit. Jeder geht in seiner Rolle auf: Christoph Huber lässt mit seinem böse-verführerischen, auch anzüglichen Verhalten den Mephisto ganz plastisch werden. Das Publikum versteht: der genüsslich-lüstern auf der Bühne geschälte Apfel steht für den Moment der Verführung bzw. Hingabe zwischen Faust und Grete. Stefan Dehlers Faust nimmt man ab, dass er total verliebt ist in Grete und gar nicht anders kann, als sie immerfort zu suchen, diese sich selbst nicht schön findende, jedoch äußerst anmutig handelnde junge Frau, der Maja Müller-Buja einen so ernsthaften Charakter verleiht, wenn sie sich ihre Verliebtheit in Faust eingesteht und die zugleich naiv-mädchenhaft das sie verschönernde Schmuck-Geschenk Fausts genießt.

Fast nebenbei abgehandelt scheint beider Gespräch über die Religion, doch wird daran klar, dass Grete eine vernünftige Seite besitzt, während Faust im Rausch des mephistophelesschen Zaubers gefangen scheint. Ihre Verzweiflung im Kerker, nicht mit Faust leben zu können und wegen ihrer Verfehlung hingerichtet zu werden, artikuliert sich im laut klagenden Ruf nach Faust: „Heinrich“. Damit endet die Faust-Version der „Stillen Hunde“.

"Boy meets girl and girl leaves boy“ – diesem Spiel von der tragische Geschichte einer unmöglichen Liebe, die beide verwandelt, aber an den Konventionen der an der traditionellen Glaubenswelt festhaltenden Gesellschaft scheitert, kann man vielleicht besser folgen, als der komplexen Satz- und Reimwelt des klassischen Goethe. Der Applaus der Schüler:innen jedenfalls zeigt den "Stillen Hunden", dass ihre hier vermittelte Perspektive auf den Faust-Stoff durchaus zielgruppenorientiert und erfolgreich ist. Und die Klarheit der Bühne, der Farben und der Regieeinfälle hilft zu begreifen, dass Liebe ein Schlüssel zur Welt sein kann, aber nicht unbedingt Glück bedeutet. Am Ende ist also nicht alles so gut, wie man möchte, aber die Zuschauer verstehen, warum. 

Organisation der Aufführung:Ulrike Schatz

Text und Fotos: Sabine Wiggert /26.4.14

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